Final feliz?

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2014/09/19 von Jörn

Kaskaden-Marathon

im Chaco

im Chaco

Fahren ohne merkliche Bewegung, alle 30 Minuten ausnahmsweise mal Gegenverkehr, alle halbe Stunde wiederholt sich die immer gleiche Szene: ein weißer Hilux überholt einen weißen LKW. Ein den ganzen Tag lang wiederkehrendes Deja-vu. Die Schokolade im Rucksack ist schon lange geschmolzen, Luftspiegelungen, Asphalt wie von Dali, Camembert als Straße, endlose Felder und gigantische Rinderherden auf Weiden von Horizont zu Horizont, heiß und einsam. So ist der Winter im Chaco.

577 Km, schnurgerade & flach !!!

577 Km, schnurgerade & flach !!!

Vor drei Tagen noch war ich noch auf den kalten Höhen der bolivianischen Anden unterwegs, durchgefroren trotz zwei Paar Handschuhen und Griffheizung. Nun befinde ich mich im argentinischen Tiefland, mein Körper allerdings ist noch im Altiplano-Modus. In zweieinhalb Tagen habe ich Argentinien der breite nach durchquert, das ist mit 676 Km von Salta der Tagesrekord der gesamten Moppedrunde. 577 Km davon sind topfeben und schnurgeradeaus, auch das rekordverdächtig. Gas feststellen und sich der Selbsthypnose hingeben. Doch eine Transzendenz entsteht nicht weil böiger Seitenwind und Löcher in der Straße den weltentrückten Fahrer sporadisch wachrütteln. Scheinbar nicht oft genug, denn ein verpasster Tankstopp zwingt mich zu Sprit in einem Bauarbeitercamp erbetteln zu müssen. Doch trotz WM-Gewinn darf der Aleman den Brennstoff zu recht fairem Preis beziehen ;-).

14oo Uhr, trübes Dämmerlicht, dunkle Wolken, es zucken Blitze. 50km vor Iguazu holt mich die Gewitterfront ein die mich schon seit geraumer Zeit verfolgt. Mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht mit Regen auf der letzten Etappe. Ich bin nass bis auf die Unterhose, doch der Stimmung tut dies keinen Abbruch und ich singe weiter in meinen Helm. Höchstens kommt ein kleines bisschen Melancholie auf, Iguazu ist die letzte Station der Moppedrunde. Schon in en paar tagen wird die BMW eingelagert, ohne das ich weiß ob ich sie noch mal wieder sehen werde. Doch das Glücksgefühl überwiegt. Das Gefühl tatsächlich hier zu stehen. Nach 11 Monaten, nach über 35.000 Kilometern, von der Pazifikküste der USA, durch die Wüsten Mexikos, die Regenwälder Mittelamerikas, die Küsten der Karibik und über den Darien Gap. Durch die „Drogenmetropolen“ Kolumbiens, vorbei an Vulkanausbrüchen und quer über die Anden, bis hierher zum Dreiländereck zwischen Brasilien, Argentinien und Paraguay wo die größten Wasserfälle der Welt in die Tiefen schießen.

 

_DSC3669Und die Fälle sind aktuell noch größer als sonst, doch das muss keine Vorteil sein, war doch ,durch heftigen Regen und die daraus resultierenden Wasserstände, noch vor ein paar Wochen das gesamte Areal tagelang gesperrt. Viele Stege wurden weggerissen und die fehlenden Stücke sind bis heute nicht ersetzt. Den kleinen Hinweis dass immer noch zwei Drittel des Nationalparks nicht zugänglich sind entdecke ich erst beim Rausgehen. Aber auch der Genuss des sichtbaren Teil leidet unter a) der schlammig braunen fluten und b) unter den

Schlechter Steg

Schlechter Steg

Menschenmengen die sich ab spätestens ab 11 Uhr auf den wenigen verbleibenden Plattformen drängen. Als ich dann noch 2,50€ für die Benutzung des Parkplatz zahlen soll ist meiner Enttäuschung perfekt. Die Preise sind immer unverschämt, aber dies ist definitiv die Flasche Jahreszeit und dafür wenigstens die „volle Show“ geboten zu bekommen.

 

Endspurt

In Missiones

In Missiones

Der Rückweg von Iguazu Richtung Uruguay ist ähnlich langweilig wie der Hinweg, nur das in Missiones wenigstens ein paar Hügel für etwas Abwechselung sorgen. Harte Tage für die Heidenaus, über 2000 Km kurvenfreie Fahrt sind einem gleichmäßigen Profilabrieb nicht dienlich. Doch nicht nur die Gummisohlen verlieren langsam die Fassung. Die Ausreise aus Argentinien funktioniert problemlos, doch auf der anderen Seite möchte man mich nicht einreisen lassen, eine Versicherung ist Pflicht. Es hilft nichts, ich muss zurück nach Argentinien. Doch auch dort nur Kopfschütteln, ohne Argentinischen Wohnsitz keine Versicherung. Zwei Tage und drei Versicherungs-Vertretungen später keimt die Erkenntnis dass lediglich der langwierige Umweg über Buenos Aires, bei vorherigerem Abschluss per WWW, mir eventuell eine gültige Police bringen könnte. Aber die Flüge sind schon gebucht und die Zeit um Gepäcktransport und Motorradeinlagerung zu organisieren ist jetzt schon knapp.

Bei dem Versuch einen Grenzübergang zu finden, der nicht zu genau auf die erforderlichen Papiere schaut, passiert mit ein reichlich teures Missgeschick. Nachdem mich heute bereits drei(!) Polizeikontrollen auf mein defektes Abblendlicht hingewiesen, aber dann folgenlos ziehen haben lassen, gerate ich zu weit südlich und unachtsamerweise in die berüchtigte Kontrolle bei Km 314. Freundlich, aber bestimmt, weisen mich die Gesetzeshüter auf mein ach so schändliches Vergehen hin …und präsentieren mir ein Knöllchen über satte 160 Euro.

Geburtstätte von Ernesto

Geburtstätte von Ernesto

Mit viel Geduld und einem leeren Geldbeutel ausgerüstet schaffe ich es am Ende die Strafe zu halbieren, doch selbst mit schwarz getauschten Pesos summiert sich die Buße aber immer noch auf heftige 50 Euro. Erschreckend üppig wenn man bedenkt dass wir die ganze Strecke, selbst die übel beleumdeten Staaten in Zentralamerika, durchfahren haben ohne bisher auch nur einen einzigen Pfennig Bakschisch zu zahlen. Und nun im „ordentlichsten“ Land ganz Südamerikas greift die behördliche Wegelagerei mir kräftig in die Kasse. Nach wochenlangem Stillstand kommt nun in der letzten Woche noch unnötig viel Hektik auf.

Der allerletzte Reisetag beginnt mit einem Donnerschlag. Heftiger Regen poltert aufs dach als ich packe. Der Mopedladen an der Ecke hat glücklicherweise die passende Lampe. Noch mal in eine Polizeifalle tappen würde meine Nerven und Finanzen niederringen, aber eine Versicherung suche ich allerdings auch hier vergebens. Ich setze

Moppedlager in Monte, gute Gesellschaft für die Sertao

Moppedlager in Monte, gute Gesellschaft für die Sertao

Alles auf den Joker und fahre, trotz einer stattlicher Anzahl argentinischer Ein-& Ausreisestempel, ganz „unwissend“ und naiv an der Grenze vor. Diesmal klappts: 20 min später halte ich den Passage-slip in den Händen. Die letzten 300Km Kilometer nach Montevideo sind dann nur noch Makulatur, aber sie sind feucht und mit nur 4°C ziemlich kalt und so erfolgt die Ziel-Einfahrt nach 330 Tagen Biker-Leben mit untergezogener Daunenjacke. Aber nicht wegen des Wetters ist der Einzug in Montevideo kein Triumphzug, sondern eher still, leise und melancholisch….

 

Finale Fotos der Moppedrunde findet ihr unter https://moppedrun.wordpress.com/aussichten/argentinien/

Ein Kommentar zu “Final feliz?

  1. […] freue ich mich, Panny von den Kradvagabunden und Jörn wwwutz von moppedrun.de zu treffen, der gerade aus Südafrika zurück ist. Wieso ist da eigentlich kein Vortrag angemeldet? […]

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